Utilitarismus-nahe Alternativen

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Einführung

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, vom Utilitarismus abzuweichen. Zu welchen praktischen Unterschieden führen solche Abweichungen, und wie gewichtig sind sie?

Der Utilitarismus ist eine bestimmte Form, nämlich eine welfaristische und unparteiische, des aggregativen Konsequentialismus: Er betrachtet das Wohlergehen als den einzigen intrinsischen Wert und misst jedermanns Wohlergehen das gleiche Gewicht bei. Andere konsequentialistische Ansichten können die Interessen verschiedener Menschen unterschiedlich gewichten oder zusätzliche Dinge (über das Wohlergehen hinaus) als intrinsisch gut oder förderungswürdig ansehen. Trotz dieser theoretischen Unterschiede können solche Ansichten als enge Verwandte des Utilitarismus betrachtet werden. Sie werden in der Regel durch ähnliche Argumente motiviert, sind ähnlichen Einwänden ausgesetzt und haben weitgehend ähnliche praktische Auswirkungen.

In diesem Kapitel wird eine Reihe dieser verwandten konsequentialistischen Ansichten untersucht, um zu beurteilen (i) warum einige sie dem einfachen Utilitarismus vorziehen und (ii) inwieweit ihre praktischen Implikationen mit denen des Utilitarismus übereinstimmen. Abschließend untersuchen wir, ob sogar einige nicht-konsequentialistische Theorien in der Praxis mit dem Utilitarismus übereinstimmen könnten. Wir stellen fest, dass die Hinzufügung von deontischen Beschränkungen in der Praxis kaum einen Unterschied macht. Signifikante Abweichungen von utilitaristischen Empfehlungen sind jedoch bei Theorien, die moralische Aggregation ablehnen, wahrscheinlich.

Jenseits des Welfarismus

Die meisten würden zustimmen, dass Wohlergehen ein wichtiger Wert ist. Leiden ist schlecht, während Glück und menschliches Wohlergehen gut sind. Aber ist Wohlergehen, wie der Utilitarismus behauptet, das einzig intrinsisch Wertvolle? Diese Eingrenzung scheint fragwürdiger. Vernünftige Menschen können durchaus zu dem Schluss kommen, dass neben dem Wohlergehen noch andere Dinge wichtig sind. In diesem Abschnitt werden drei mögliche Beispiele für andere in Frage kommende Güter untersucht: ökologischer Wert, ästhetischer Wert und Verteilungsgerechtigkeit.

Ökologischer Wert

In der Umweltethik gibt es eine lebhafte Debatte darüber, ob die nicht empfindungsfähige Natur — zum Beispiel Pflanzen, Arten und ganze Ökosysteme — einen intrinsischen oder lediglich instrumentellen Wert hat. Diese Frage ist schwer zu klären, da unsere Intuitionen uns in unterschiedliche Richtungen ziehen.

Auf der einen Seite halten Viele welfaristische Prinzipien für intuitiv plausibel. Man denke zum Beispiel an die Behauptung, dass die Güte eines Ergebnisses ausschließlich vom Wohlergehen der Individuen abhängt, die in diesem Ergebnis existieren. Oder dass nichts gut oder schlecht sein kann, wenn es niemanden gibt, die es kümmert oder die es erlebt.

Andererseits können wir uns zu bestimmten Urteilen hingezogen fühlen, die der Natur einen intrinsischen Wert zuzuschreiben scheinen. Man stelle sich zum Beispiel vor, dass eine Katastrophe alle empfindungsfähigen Lebewesen (einschließlich aller Tiere) bis auf einen einzigen Menschen auslöscht. Als diese letzte Person auf dem Sterbebett liegt, blickt sie auf eine herrliche Landschaft und steht vor der Entscheidung, ob sie eine Weltuntergangsmaschine auslösen soll, die den Planeten explodieren lässt und alles verbliebene (nicht empfindungsfähige) Pflanzenleben vernichtet.1 Selbst wenn wir davon ausgehen, dass es keine Chance gibt, dass sich jemals wieder empfindungsfähiges Leben auf der Erde entwickelt, könnten wir es immer noch für falsch halten, das verbleibende (nicht empfindungsfähige) Pflanzenleben ohne triftigen Grund auszulöschen. Aber es hat (gemäß der Stipulierung) keinen instrumentellen Wert mehr für empfindungsfähige Wesen. Also muss jeder verbleibende Wert, den es besitzt, intrinsisch sein.

Utilitaristen könnten ihre Standardantwort auf Gegenbeispiele anpassen, indem sie zeigen, wie sie eine eng verwandte Intuition berücksichtigen können. Sie müssen darauf bestehen, dass es in diesem seltsamen Szenario (mit all seinen Bedingungen) technisch gesehen harmlos und daher zulässig wäre, den Planeten zu sprengen. Aber sie können sich unserem Urteil anschließen, dass mit dem Charakter einer Akteurin, die die Welt auf diese Weise in die Luft jagen wollte, etwas nicht stimmt. Die Akteurin würde beunruhigend gefühllos erscheinen und wäre möglicherweise die Art von Person, die unter gewöhnlicheren Umständen erheblichen Schaden riskieren würde, indem sie den (instrumentell immens wertvollen) natürlichen Ökosystemen nicht genügend Respekt entgegenbringt. Wer mit dieser Antwort nicht zufrieden ist, zieht es vielleicht vor, seiner Moraltheorie intrinsischen ökologischen Wert hinzuzufügen, was zu einer pluralistischen (statt welfaristischen) Form des Konsequentialismus führt.

Einige radikale Umweltschützer könnten der Ansicht sein, dass ökologischer Wert das Wohlergehen aller empfindungsfähigen Lebewesen, menschlicher wie nicht-menschlicher, überwiegt.2 Die meisten würden diese Position jedoch als zu extrem empfinden und stattdessen dem Wohlergehen mehr Gewicht beimessen. Diese gemäßigtere Form des Pluralismus würde sich dann in ihren praktischen Empfehlungen weitgehend mit dem Utilitarismus überschneiden, abgesehen von der Behauptung, dass kleine Verluste im Wohlergehen durch große Gewinne an ökologischem Wert ausgeglichen werden können. Obwohl zum Beispiel Wälder wertvoll sein können, würde der gemäßigte Pluralist zustimmen, dass man im Falle eines Waldbrandes, wann immer Konflikte zwischen der Rettung von Bäumen und Menschen auftreten, man erst Menschen und dann Bäume retten muss.3

Ästhetischer Wert

Der Welfarismus kann auf eine andere Art und Weise in Frage gestellt werden, wenn wir unsere Einstellung zu schönen Dingen betrachten. Man denke an die Ehrfurcht, die man empfinden mag, wenn man einen herrlichen Wasserfall betrachtet oder über die Unermesslichkeit des Universums nachdenkt. Es scheint angemessen, diese Dinge und andere Objekte der Schönheit — große Kunst, Musik, Naturwunder usw. — direkt zu würdigen. „Direkte Wertschätzung“ ist hier eine Form der nicht-instrumentellen Wertschätzung, die sich erkennbar von der bloßen Betrachtung einer Sache als instrumentell nützlich unterscheidet. Aber eine solche nicht-instrumentelle Wert_schätzung kann nur wirklich durch Objekte gerechtfertigt werden, die nicht-instrumentell wert_voll sind.

Welfaristen scheinen also vor einem Dilemma zu stehen: Entweder sie leugnen, dass solche scheinbar angemessenen Reaktionen tatsächlich angemessen sind, oder sie räumen ein, dass auch andere Dinge als das Wohlergehen einen intrinsischen Wert haben.

Eine verlockende Antwort der Welfaristen wäre, darauf zu bestehen, dass es in Wirklichkeit unsere Erfahrung der ästhetischen Wertschätzung ist, die wertvoll ist, und nicht ein Objekt wie ein Wasserfall selbst. Zur Unterstützung dieser Ansicht scheint es richtig zu sein, dass der Wert in einem Universum ohne bewusste Beobachter, die die darin enthaltenen Wasserfälle zu schätzen wissen, nicht vorhanden wäre. Andererseits scheint es aber auch so zu sein, dass das geeignete Objekt unserer wertschätzenden Haltung (das heißt das, was wir in Ehrfurcht betrachten und als wertvoll ansehen) der Wasserfall selbst ist und nicht nur unsere Erfahrung von ihm.4

Können diese beiden Urteile miteinander in Einklang gebracht werden? Eine Möglichkeit — für diejenigen, die eine Objektive-Listen-Theorie von Wohlergehen akzeptieren — wäre, dass der Wasserfall selbst wertvoll ist, aber nur, wenn er wahrgenommen und geschätzt wird, da er dann ein Gut für das Subjekt, das ihn wahrnimmt, darstellen kann. Dies ist eine Möglichkeit, ästhetischen Wert zu berücksichtigen, ohne den Welfarismus aufzugeben. Eine Nicht-Welfaristin könnte stattdessen behaupten, dass der Wasserfall unabhängig von seinem Beitrag zum Wohlergehen irgendeines Menschen einen Wert hat, aber dennoch darauf bestehen, dass dieser Wert nur dann realisiert wird, wenn er von einem bewussten Wesen wahrgenommen und geschätzt wird.

Es ist letztlich unklar, ob der ästhetische Wert uns dazu zwingt, den Welfarismus aufzugeben. So oder so mögen diese Details zwar von theoretischem Interesse sein, dürften aber in der Praxis kaum zu nennenswerten Abweichungen vom Utilitarismus führen (es sei denn, man misst dem ästhetischen Wert im Vergleich zu welfaristischen Prioritäten wie der Linderung von Leiden und der Rettung von Leben ein unplausibel hohes Gewicht bei).

Egalitarismus und Verteilungsgerechtigkeit

Egalitarismus ist die Ansicht, dass Ungleichheit an sich schlecht ist, abgesehen von den instrumentellen Auswirkungen, die sie auf das Wohlergehen von Personen haben kann.

Utilitaristen neigen dazu, Gleichheit ausschließlich aus instrumentellen Gründen zu befürworten, das heißt weil gleichere Resultate das Gesamtwohlergehen eher fördern. Aufgrund des abnehmenden Grenzwerts von Geld macht beispielsweise ein zusätzlicher Euro für einen Obdachlosen einen viel größeren Unterschied als für eine Milliardärin.

Egalitaristen sind der Meinung, dass diese rein instrumentelle Wertschätzung der Gleichheit nicht weit genug geht. So ziehen sie beispielsweise eine Welt, in der jeder fünfzig Jahre glücklich leben kann, einer Alternative vor, in der 75 % der Bevölkerung im Durchschnitt sechzig Jahre glücklich leben, während 25 % früh im Alter von 30 Jahren sterben. Obwohl dieses ungleiche Ergebnis (wie wir hier festlegen können) ein höheres allgemeines Wohlergehen beinhaltet, können Egalitaristen es aufgrund des Negativ-Werts der Ungleichheit dennoch als schlechter ansehen.

Es gibt zwei Möglichkeiten, Ungleichheit zu beseitigen: Entweder man verbessert das Los der Schlechtergestellten oder man verschlechtert das Los der Bessergestellten, um alle auf das gleiche Niveau zu bringen. Der erste Weg ist natürlich welfaristisch besser. Beide Wege können aber auch zu einer Verringerung der Ungleichheit führen und sind daher nach egalitären Gesichtspunkten als „Verbesserung“ zu werten. Laut dem Einwand von der Gleichstellung durch das Schlechterstellen mancher spricht es gegen Egalitarismus als intrinsischen Wert, dass er impliziert, es sei etwas Gutes, den Bessergestellten zu schaden und niemandem zu helfen.5 Welfaristen glauben stattdessen, dass solche einseitigen Schäden ganz und gar schlecht sind.6

Im Artikel über den Gleichheitseinwand gegen den Utilitarismus wird die Intuition, dass die Gleichheit der Verteilung an sich wichtig ist und wie Utilitaristen auf den Einwand reagieren können, weiter erörtert. Für den Moment können wir festhalten, dass eine substantielle praktische Übereinstimmung zwischen utilitaristischen und egalitären Ansichten zu erwarten ist (unter der Annahme, dass letztere sich nicht nur um lokale, sondern auch um globale Ungleichheit sowie um die Ungleichheit zwischen Spezies und die intertemporale Ungleichheit sorgen).

Jenseits der gleichberechtigten Berücksichtigung von Interessen

Man kann den Welfarismus akzeptieren, den Utilitarismus aber dennoch ablehnen, weil man den Interessen oder dem Wohlergehen einiger Personen mehr Gewicht beimisst als den Interessen oder dem Wohlergehen anderer. In diesem Abschnitt werden vier solcher Ansichten untersucht: Prioritarismus, an das Verdienen angepasste Ansichten, Egoismus und Parteilichkeit.

Prioritarismus

Dem Prioritarismus zufolge ist es „umso wichtiger, Menschen zu begünstigen, je schlechter es ihnen geht“.7 Wie der Egalitarismus impliziert auch der Prioritarismus, dass es besser ist, einen Nutzen von festem Umfang — zum Beispiel ein zusätzliches Quantum Glück — den Schlechtergestellten zukommen zu lassen als den Bessergestellten. Aber während der Egalitarismus impliziert, dass es etwas Gutes hat, wenn man die Ungleichheit durch das Schlechterstellen der Bessergestellten nivelliert oder reduziert, vermeidet der Prioritarismus (wie der Utilitarismus) die Behauptung, dass es etwas Gutes hat, Menschen zu schaden, wenn es keinen kompensierenden Nutzen für andere gibt.

Dies ist ein subtiler, aber wichtiger theoretischer Unterschied. Egalitaristen legen Wert auf Gleichheit an sich, die durch eine Verringerung des Gesamtwohlergehens gefördert werden könnte. Prioritaristen halten am Welfarismus fest, indem sie nur das Wohlergehen bewerten, während sie vom Utilitarismus abweichen, indem sie stattdessen den Interessen der schlechter Gestellten mehr Gewicht geben.

Der Prioritarismus mag daher wie ein guter Kompromiss zwischen egalitären Intuitionen und welfaristischen theoretischen Prinzipien erscheinen. Aber er wirft eigene theoretische Rätsel auf:8 Um dies zu verdeutlichen, sei daran erinnert, wie Utilitaristen unseren egalitären Intuitionen entgegenkommen, indem sie sich nämlich auf den abnehmenden Grenzwert von Ressourcen berufen: Je mehr man hat, desto weniger macht eine zusätzliche Einheit einen Unterschied.

Seltsamerweise behandelt der Prioritarismus das Wohlergehen selbst mit abnehmendem Grenzwert. Angenommen Jane hat die Wahl, sich entweder einen kleinen Nutzen zu einem Zeitpunkt zu verschaffen, zu dem es ihr schlecht geht, oder einen größeren Nutzen zu einem Zeitpunkt, zu dem es ihr besser geht. Definitionsgemäß bringt ihr die letztere Option mehr Nutzen. Der Prioritarismus impliziert jedoch, dass die erste Option „wichtiger“ sein könnte.9 Das heißt, wenn man nur das Wohlergehen dieser Person berücksichtigt, könnte es besser sein, das zu tun, was für sie schlechter ist. Kann das wirklich richtig sein?

Utilitaristen können zustimmen, dass unsere Intuitionen den Prioritarismus unterstützen, dann aber versuchen, diese Intuitionen zu entlarven, anstatt sie für bare Münze zu nehmen. Experimentelle Evidenz deutet darauf hin, dass unsere intuitive Einschätzung des abnehmenden Grenzwerts von Ressourcen übergeneralisiert wird, wenn sie auf abstrakte „Einheiten des Wohlergehens“ angewandt wird, mit denen wir nicht intuitiv vertraut sind.10 Joshua Greene erklärt dies so: „[W]enn wir uns mögliche Verteilungen von [Wohlergehen] vorstellen, … ist es sehr schwer, nicht an Verteilungen von Dingen anstatt an Verteilungen von Erfahrungsqualität zu denken.“11 Utilitaristen stimmen zu, dass Dinge oft einen abnehmenden Grenzwert haben. Wenn prioritaristische Intuitionen eine verwirrende Übergeneralisierung dieses Punktes widerspiegeln, sollten wir vielleicht am besten beim Utilitarismus bleiben.

Andererseits könnten sich manche Menschen von der Ansicht angezogen fühlen, dass verschiedene grundlegende Güter — wie Glück — die direkt zum Wohlergehen beitragen, einen abnehmenden Grenzwert haben, und dies dann mit dem Prioritarismus verwechseln. Um theoretische Klarheit zu gewährleisten, müssen wir darauf achten, die prioritaristische Idee, dass das Wohlergehen der Schlechtergestellten einfach wichtiger ist, von der mit dem Utilitarismus kompatiblen Idee zu unterscheiden, dass grundlegende Güter wie Glück einen größeren Nutzen für die Schlechtergestellten darstellen, indem sie einen größeren Unterschied zu ihrem (an sich gleich wichtigen) Wohlergehen machen. Wir könnten diese neue Sichtweise abnehmender Wert fundamentaler Güter-Utilitarismus nennen, im Gegensatz zur traditionellen utilitaristischen Sichtweise, nach der fundamentale Güter wie Glück einen konstanten, nicht abnehmenden Wert haben. Für Utilitaristen, die an diesen abnehmenden Wert grundlegender Güter glauben, könnte eine zusätzliche Minute Glück für jemanden, der zuvor gelitten hat, an sich vorteilhafter sein als für jemanden, der bereits recht glücklich war.12 Diese Sichtweise scheint zu den gleichen praktischen Urteilen zu führen wie der Prioritarismus, allerdings ohne die theoretischen Kosten.

Wie beim Egalitarismus sind die Unterschiede zwischen Prioritarismus, abnehmender Wert fundamentaler Güter-Utilitarismus und traditionellem Utilitarismus in jedem Fall subtil. Am deutlichsten werden diese Unterschiede in den Fällen, in denen wir den Bestgestelltesten zu relativ geringeren Kosten für die Schlechtestgestellten einen Vorteil verschaffen können. Solche Fälle sind jedoch selten (da abnehmende Erträge bedeuten, dass es normalerweise viel einfacher ist, das Wohlergehen der Habenichtse zu steigern als das der Besitzenden). Folglich kann man davon ausgehen, dass alle diese Ansichten weitgehend ähnliche praktische Auswirkungen haben.13

Vom Verdienen ausgehende Ansichten

Im Utilitarismus werden jedermanns Interessen gleichermaßen berücksichtigt. Eine alternative Form des Konsequentialismus könnte darin bestehen, dass nur die Interessen der Unschuldigen gleich gezählt werden, während die Interessen derjenigen, die es in irgendeinem relevanten Sinne weniger verdient haben, unberücksichtigt bleiben.14 Es schiene beispielsweise ungerecht, eine Person zu schädigen, um eine andere vor grundlos selbst zugefügtem und völlig vermeidbaren Schaden zu bewahren.

Viele Menschen haben eine retributivistische Intuition und befürworten die Bestrafung Schuldiger sogar unabhängig von den Vorteilen, die dies für die Abschreckung oder die Verringerung der Rückfälligkeit haben könnte. Noch mehr Menschen sind zumindest der Meinung, dass schwere Straftäter weniger Anspruch auf Leistungen von anderen in der Gesellschaft haben. Hätte man beispielsweise die Wahl, entweder Gandhi oder Hitler einen zusätzlichen freudigen Tag zu schenken, hätte man wahrscheinlich nicht das Gefühl, eine Münze werfen zu müssen, um zwischen den beiden zu entscheiden. (Vielleicht würde man es sogar vorziehen, dass Hitler leidet.)15 An das Verdienen angepasste Ansichten tragen solchen Intuitionen Rechnung, indem sie das Ausmaß, in dem die eigenen Interessen moralisch zählen, in ein Verhältnis zu dem Ausmaß setzen, in dem man es verdient, zu profitieren (oder vielleicht sogar zu leiden).

Ist es möglich, dass manche Menschen das Glück mehr verdienen als andere? Intuitiv scheint es sicherlich so zu sein. Skeptiker in Bezug auf den freien Willen und moralische Verantwortung argumentieren jedoch, dass dies eine Illusion ist, was, wenn korrekt, ein solches Anpassen an das Verdienen ausschließen würde. Zwar würde der Versuch, in dieser Debatte ein Urteil zu fällenwar den Rahmen dieses Artikels sprengen, aber es lohnt sich, zwei Punkte zu betonen. Erstens: Wenn es so etwas wie echtes Verdienen gibt, dann können Konsequentialisten dies problemlos berücksichtigen — auch wenn dies eine Abkehr vom Utilitarismus wäre. Und zweitens: Selbst wenn wir uns am Ende für eine ans Verdienen angepasste konsequentialistische Sichtweise entscheiden, wird diese immer noch die wichtigsten praktischen Implikationen des Utilitarismus teilen. Schließlich gibt es keine ernsthaften Zweifel an der Unschuld derjenigen Gruppen, denen wir am meisten helfen können, wie zum Beispiel künftigen Generationen, Tieren in der Massentierhaltung16 und (der großen Mehrheit) der weltweit Ärmsten.

Egoismus und Parteilichkeit

Egoisten behaupten, dass nur ihr eigenes Wohlergehen zählt und dass sie folglich das tun sollten, was für sie selbst am besten ist.17 Während einige Menschen dies auf den ersten Blick als „rational“ bezeichnen, halten nur wenige Philosophen diese Ansicht bei genauerem Hinsehen für vertretbar.18 Die meisten von uns sorgen sich zumindest um manche andere Menschen, zum Beispiel unsere engen Freunde und Familienangehörigen. Wir würden es weder für ethisch noch für rational halten, wenn wir uns selbst auf Kosten unserer Lieben Vorteile verschaffen.

Nehmen wir zum Beispiel an, ein böser Dämon unterbreitet folgendes Angebot: Ermordet man seine Freunde und Familie, so löscht der Dämon das Gedächtnis an die Vergangenheit (einschließlich der schrecklichen Tat) und richtet für einen ein neues Leben (mit neuen Freunden und neuer Familie) ein, in dem man garantiert ein ganz klein wenig glücklicher oder erfüllter ist oder geringfügig mehr von dem hat, was zum eigenen Wohlergehen beiträgt. Wäre es unbedingt irrational, dieses Angebot abzulehnen? Schlimmer noch, wäre es sogar ethisch erforderlich, diese Morde zu begehen? Das scheint eine absurd starke und unplausible Behauptung zu sein. Das Wohlergehen seiner Freunde und Familie kann einem doch sicher mehr am Herzen liegen als die geringfügige Verbesserung des eigenen Wohlergehens. Die Ermordung von Angehörigen aus Egoismus für einen geringen Nutzen scheint der Inbegriff eines moralischen Fehlers zu sein.

Lassen wir also den Egoismus beiseite. Eine plausiblere Sichtweise, die wir Parteilichkeit nennen könnten, liegt irgendwo zwischen den beiden Extremen des Egoismus und des unparteiischen Utilitarismus. Der Parteilichkeit zufolge müssen wir zwar bis zu einem gewissen Grad die Interessen aller berücksichtigen, aber wir können unseren Nächsten und Liebsten (einschließlich uns selbst) mehr Gewicht einräumen.19

Eine wichtige Herausforderung für die Parteilichkeit besteht darin, dass unklar ist, wie viel zusätzliches Gewicht die Parteilichkeit zulässt oder wie es überhaupt eine genaue Tatsache in dieser Angelegenheit geben kann. Jede bestimmte Antwort würde willkürlich erscheinen. Tatsächlich gibt es unter Vertretern der Parteilichkeit keinen Konsens darüber, wie viel zusätzliches Gewicht hier gerechtfertigt ist.20 Wir können uns das theoretische Prinzip, nach dem jeder das gleiche moralische Gewicht haben könnte, vorstellen. Aber wenn ein gewisses Maß an Parteilichkeit an sich (und nicht nur instrumentell) gerechtfertigt ist, wie könnten wir dann bestimmen, welches Maß gerechtfertigt ist?

Auf jeden Fall scheint klar zu sein, dass es Grenzen dafür geben muss, wie viel zusätzliches Gewicht die Parteilichkeit zulässt. Bei jeder plausiblen moderaten Gewichtung gelten immer noch die üblichen utilitaristischen Vorschriften zur Verbesserung der Welt als Ganzes, da gezielte Spenden oft Hunderte male mehr Gutes für weit entfernte Andere bewirken können als für uns selbst und die uns Nahestehenden.21

Jenseits des Konsequentialismus

Einige nicht-konsequentialistische Ansichten — insbesondere anti-aggregative Ansichten, bei denen „die Zahlen nicht zählen“22 — stehen in radikalem Widerspruch zum Utilitarismus. Anti-aggregative Ansichten erlauben es, absichtlich weniger Gutes zu tun, als man leicht tun könnte, zumindest wenn die Vorteile so breit verteilt sind, dass kein Einzelner einen besonders starken „Anspruch“ auf ein optimales Handeln hat. Dies macht einen großen praktischen Unterschied, da bei vielen moralischen Problemen in der realen Welt die konzentrierten Interessen einiger weniger gegen die verteilten Interessen vieler stehen. Aggregative und anti-aggregative Ansichten werden stark voneinander abweichende Urteile darüber fällen, was in solchen Fällen getan werden sollte. Aber zumindest einige andere nicht-konsequentialistische Auffassungen sind sich zwar über die theoretische Rolle moralischer Optionen und/oder Zwänge sehr uneinig, können sich aber in der Praxis dennoch weitgehend mit dem Utilitarismus überschneiden.

Zwei Merkmale unterscheiden viele nicht-konsequentialistische Auffassungen vom Utilitarismus: Optionen, sich selbst und nahestehende Personen vorrangig zu begünstigen, und Einschränkungen, wie etwa das Verbot, Rechte zu verletzen. Der Konflikt zwischen diesen Formen des Nicht-Konsequentialismus und des Utilitarismus wird oft überbewertet. Was die moralischen Optionen betrifft, so wurde im obigen Abschnitt über Parteilichkeit hervorgehoben, dass jeder plausibel moderate Grad an Parteilichkeit nicht ausreichen würde, um das immense Gute aufzuwiegen, das wir bei Entscheidungen, bei denen es um viel geht, für andere tun können. Der Utilitarismus kann auch einige parteiliche Praktiken, wie zum Beispiel Elternschaft, als förderlich für das Allgemeinwohl befürworten. Was die moralischen Einschränkungen betrifft, so befürworten Utilitaristen die Achtung von Rechten in der Praxis von ganzem Herzen, da sie diese als instrumentell gerechtfertigt betrachten, weil sie tendenziell bessere gesellschaftliche Verhältnisse fördern.

Jede plausible Sichtweise muss zulassen, dass die Verringerung von Leiden und die Förderung von Wohlergehen wichtige moralische Ziele sind. Es wäre äußerst unplausibel, dies gänzlich zu leugnen.23 Das bedeutet aber, dass wir — nach jeder plausiblen Sichtweise — starke moralische Gründe haben, Leiden zu verringern und Wohlergehen zu fördern, wann immer wir dies tun können, ohne mit anderen wichtigen Zielen oder Verpflichtungen (wie der Achtung der Rechte anderer) in Konflikt zu geraten.

In der Praxis erfordern die effektivsten Wege zur Verbesserung der Welt nicht die Verletzung der Rechte anderer. Es scheint also, dass fast jede vernünftige Sichtweise, die das Prinzip der Aggregation befürwortet, am Ende weitgehend mit dem Utilitarismus darin übereinstimmen sollte, was in der Praxis wichtig ist: nämlich die Suche nach effektiven Möglichkeiten, die Welt erheblich zu verbessern24 und sich dabei vertrauenswürdig zu verhalten, die soziale Koordination voranzutreiben und wichtige moralische Zwänge zu respektieren.

Konklusion

Es gibt mehrere Möglichkeiten, Aspekte des Utilitarismus abzulehnen und gleichzeitig die allgemeine Ausrichtung der Theorie beizubehalten (zumindest in der Praxis). Erstens könnte man andere Werte in den Mix einbeziehen, solange sie nicht so weit getrieben werden, dass sie die Bedeutung des Wohlergehens völlig überlagern. Zweitens könnte man die gleichberechtigte Berücksichtigung von Interessen ablehnen, indem man den Schlechtergestellten, denen, die mehr Gutes verdienen, oder denjenigen, denen man zugeneigt ist, mehr Gewicht einräumt. Aber auch hier gilt: Solange solche Gewichtungen nicht zu unplausiblen Extremen führen (wie beispielsweise striktem Egoismus), bleibt der moralische Imperativ, wirksame Verbesserungen in der Welt anzustreben, in Kraft. Schließlich könnte man den Konsequentialismus sogar ablehnen und grundlegende moralische Beschränkungen für das Streben nach dem Guten akzeptieren. Aber viele solcher Nicht-Konsequentialisten können immer noch zugeben, dass das Gute trotzdem erstrebenswert bleibt (solange dieses Streben nicht die Verletzung wichtiger moralischer Einschränkungen erfordert), und viele Utilitaristen werden wahrscheinlich die von ihnen vorgeschlagenen Einschränkungen in der Praxis gutheißen.

Natürlich gibt es Möglichkeiten, den Utilitarismus gänzlich abzulehnen. Man könnte sich dem Egoismus verschreiben und leugnen, dass andere überhaupt wichtig sind. Oder man könnte die Aggregation von Interessen oder Wohlergehen ablehnen und darauf bestehen, dass Millionen zu helfen nicht intrinsisch wichtiger ist als dem Einzelnen zu helfen. (Oder dass es schlimmer ist, Millionen von Menschen ein wenig zu helfen, als einem Einzelnen viel zu helfen). Wer sich zu diesen Ansichten hingezogen fühlt, wird wahrscheinlich nicht mit dem Utilitarismus oder seinen praktischen Empfehlungen sympathisieren.

Aber das ist ein ziemlich enges Spektrum von Ansichten. Im Gegensatz dazu ist es bemerkenswert — und für viele Leser möglicherweise recht überraschend — dass ein breites Spektrum theoretischer Ansätze einen sich überschneidenden Konsens über die praktische Bedeutung einer effizienten Förderung des Guten bilden kann. Zumindest wenn es um praktische Ethik geht, besteigen wir vielleicht denselben Berg von verschiedenen Seiten.25

Im nächsten Kapitel werden einige der wichtigsten Einwände gegen den Utilitarismus und Antworten auf diese Einwände erörtert.


Diese Seite zitieren

Chappell, R.Y., Meissner, D. und MacAskill, W. (2023). Utilitarismus-nahe Alternativen. In R.Y. Chappell, D. Meissner und W. MacAskill (Hrsg.), Einführung in den Utilitarismus, <https://www.utilitarismus.net/utilitarismus-nahe-alternativen>, aus dem Englischen von S. Dalügge, zuletzt aufgerufen am .

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Ressourcen und weiterführende Lektüre

Jenseits des Welfarismus

Prioritarismus

Vom Verdienen ausgehende Ansichten

Egoismus und Parteilichkeit

Jenseits des Konsequentialismus


  1. Dies ist eine Abwandlung des berühmten Gedankenexperiments „Der letzte Mensch“ von Richard Routleys. Siehe Routley, R. (1973). Is there a need for a new, an environmental, ethic? Proceedings of the XVth World Congress of Philosophy, 1: 205–210. ↩︎

  2. Manche behaupten, die Menschheit sei insgesamt schädlich für die Welt, so dass wir uns das Aussterben der Menschheit wünschen sollten. Es ist jedoch wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich Letzteres nicht notwendigerweise aus Ersterem ergibt: Auch wenn die Menschheit der natürlichen Umwelt bisher immense Kosten auferlegt hat, kann es durchaus sein, dass künftige Generationen der Menschheit die beste Hoffnung sind, diesen Schaden wiedergutzumachen. Das baldige Aussterben der Menschheit könnte dann das schlimmstmögliche Ergebnis sein: Alle Schäden der Vergangenheit sind angerichtet, aber kein einziges unserer zukünftigen Potenziale zur Wiedergutmachung könnte dann realisiert werden. Wenn das stimmt, dann sollten sich sogar radikale Umweltschützer (zumindest instrumentell) darum kümmern, das Aussterben der Menschheit zu verhindern. ↩︎

  3. Pluralisten stehen vor interessanten Rätseln, wenn es darum geht, Abwägungen zu treffen, bei denen es um weitaus mehr des normalerweise weniger wichtigen Wertes geht. Können eine Million Bäume ein Menschenleben aufwiegen? Oder ein ausreichend geringes Todesrisiko für eine Person aufwiegen? Wir werden hier nicht versuchen, dieses Problem zu lösen, weisen aber darauf hin, dass es eine wichtige Herausforderung für jede pluralistische Sichtweise darstellt. ↩︎

  4. Man beachte, dass eine subjektiv nicht unterscheidbare halluzinatorische Erfahrung (die vielleicht von einer Erlebnismaschine erzeugt wird) nicht ganz so beeindruckend erscheint. Wenn die Person nicht weiß, dass sie halluziniert, wird sie natürlich genauso beeindruckt sein. Aber wir könnten urteilen, dass ihre wertschätzende Haltung in einem solchen Fall objektiv weniger gerechtfertigt ist als im nicht-halluzinatorischen Fall. ↩︎

  5. Parfit, D. (1997). Equality and Priority. Ratio, 10(3): 202–221. Vgl. Vonneguts Satire Harrison Bergeron↩︎

  6. Dies ist ein subtiler Dissens mit begrenzten praktischen Auswirkungen, solange der Egalitarist vernünftigerweise zustimmt, dass die Verluste an Wohlergehen durch das Gleichstellen durch Schlechterstellen mancher die Veränderung insgesamt schlecht machen. ↩︎

  7. Parfit, D. (1997). Equality and Priority. Ratio, 10(3): 202–221, p. 213. ↩︎

  8. Die folgenden Absätze orientieren sich direkt an Chappell, R.Y. (2021). Parfit’s Ethics. Cambridge University Press. ↩︎

  9. Der Einfachheit halber gehen wir davon aus, dass sich der Prioritarismus auf das momentane und nicht auf das lebenslange Wohlergehen bezieht. Für die letztgenannte Ansicht muss der Einwand dahingehend abgeändert werden, dass er kontrafaktische und nicht zeitliche Vergleiche betrifft. Angenommen, Shane ist glücklicher, wenn eine geworfene Münze Kopf zeigt, und kann sich einen von zwei konditionalen Nutzen gewähren: einen größeren Nutzen, wenn die Münze Kopf zeigt, oder einen kleinen Nutzen, wenn sie Zahl zeigt. Wenn Nutzen für Schlechtergestellte wichtiger sind und Shane schlechter gestellt ist, wenn die Münze Zahl zeigt, dann kann die Chance von 50 % auf einen kleineren Nutzen (konditional auf Zahl) vom Prioritarismus als besser empfohlen werden als die Chance von 50 % auf einen größeren Nutzen. Diese Möglichkeiten gegeben wäre das jedoch nicht die weise Wahl. Dies setzt voraus, dass der Prioritarismus eine Ex post-Form annimmt. Für Einwände gegen den Ex ante-Prioritarismus, siehe Gustafsson, J. (2022). Ex-Ante Prioritarianism Violates Sequential Ex‑Ante Pareto. Utilitas, 34(2): 167–177. ↩︎

  10. Greene, J. and Baron, J. (2001). Intuitions about Declining Marginal Utility. Journal of Behavioral Decision Making, 14: 243–55. ↩︎

  11. Vgl. Greene, J. (2013). Moral Tribes: Emotion, Reason, and the Gap Between Us and Them. New York: Penguin Press. Kapitel 10. ↩︎

  12. Man beachte, dass dies nicht die empirische Behauptung ist, dass Glück einen größeren nachgelagerten (instrumentellen) Nutzen für die schlechter gestellte Person hätte, indem es sie beispielsweise in eine positivere Geisteshaltung versetzt. Das mag zutreffen oder auch nicht. Wenn das zutrifft, würde dies auch von traditionellen Utilitaristen berücksichtigt werden. Nein, Utilitaristen, die an den abnehmenden Wert fundamentaler Güter glauben, stellen die radikalere normative Behauptung auf, dass die gleiche Menge an Glück an sich einen größeren intrinsischen Nutzen für die schlechter gestellte Person konstituiert. Das Glück an sich macht einen größeren Unterschied für ihr Wohlergehen aus, nämlich in dem Sinne, dass wir einen Grund haben, ein fixes Quantum Glück zu bevorzugen, wenn wir schlechter gestellt sind. ↩︎

  13. Eine mögliche Ausnahme könnte darin bestehen, dass, wenn man den Schlechtestgestellten extreme Priorität einräumt, dies dazu führen könnte, dass man ineffizienterweise Ressourcen in schwer erreichbare oder schwer zu helfende Bevölkerungsgruppen für geringfügige Gewinne steckt, während Utilitaristen stattdessen empfehlen würden, diese Ressourcen zu verwenden, um größere Vorteile für eine größere Anzahl von (möglicherweise etwas besser gestellten) Menschen zu erzielen. ↩︎

  14. Feldman, F. (1995). Adjusting utility for justice: A consequentialist reply to the objection from justice. Philosophy and Phenomenological Research, 55(3): 567–585. Graham, P. A. (2020). Avoidable Harm. Philosophy and Phenomenological Research 101(1): 175-199. ↩︎

  15. Jeremy Bentham hingegen maß selbst „dem abscheulichsten Vergnügen, das der abscheulichste Übeltäter jemals aus seinem Verbrechen gezogen hat“ einen nicht minderen Wert bei. Bentham, J. (1789). Kapitel 2: Principles Opposing the Principle of Utility, An Introduction to the Principles of Morals and Legislation. Bennett, J. (Hrsg.), 2017. ↩︎

  16. Eine alternative Sichtweise, die eine gewisse Abwertung nicht-menschlicher Tiere zuließe, bestünde darin, die Interessen im Verhältnis zum moralischen Status des Individuums zu gewichten (und weiter zu behaupten, dass nicht-menschliche Tiere einen geringeren moralischen Status haben). Während Utilitaristen bereits anerkennen, dass einige Tiere eine größere Fähigkeit zu bewussten Erfahrungen haben als andere, würde diese alternative Sichtweise stattdessen behaupten, dass selbst gleiche Schmerzen weniger zählen, wenn sie von einem „geringeren“ Tier erfahren werden. Aber selbst bei einer moderaten Abwertung ist das enorme Leiden in der Massentierhaltung kaum zu rechtfertigen. Denn wir sollten Tiere sicher nicht so weit herabsetzen, dass es erlaubt wäre, sie zum Spaß zu quälen. ↩︎

  17. Ethische Egoisten behaupten, dass man aus moralischer Sicht das tun sollte, was für einen selbst am besten ist. Rationale Egoisten behaupten, dass man rational das tun sollte, was das Beste für einen selbst ist. Hier verstehen wir unter Egoismus die Ansicht, dass man alles in allem tatsächlich das tun sollte, was das Beste für einen selbst ist. Diese Behauptung wird wahrscheinlich sowohl von ethischen als auch von rationalen Egoisten geteilt. ↩︎

  18. Für eine ausgezeichnete Diskussion dieses Punktes, siehe Derek Parfit (1984). Teil Zwei: Rationality and Time, Reasons and Persons. Clarendon Press. ↩︎

  19. Philosophen nennen dies eine Option- oder ein Akteur-zentrierten Prärogativ. Siehe Scheffler, S. (1994). The Rejection of Consequentialism. Oxford University Press. ↩︎

  20. Eine Möglichkeit wäre, eine vage Spanne zulässiger Gewichtungen zu akzeptieren, aber das könnte schon ein Schritt in Richtung mysteriöses Territorium sein. ↩︎

  21. Mogensen argumentiert weiter, dass langfristige Erwägungen so ziemlich jedes endlich gewichtete persönliche Vorrecht überlagern, selbst solche, die auf den ersten Blick extrem maßlos erscheinen (zum Beispiel wenn man den Interessen derjenigen, denen man zugetan ist, eine Million Mal mehr Gewicht gibt). Mogensen, A. (2021). Moral Demands and the Far Future. Philosophy and Phenomenological Research 103(3): 567–585. ↩︎

  22. Z. B. Taurek, J. (1977). Should the numbers count? Philosophy and Public Affairs 6(4): 293–316. ↩︎

  23. Selbst John Rawls, der Vater der kontraktualistischen Ethik und ein prominenter Kritiker des Utilitarismus, blieb dem Kernaspekt des Konsequentialismus verpflichtet und schrieb: „Alle ethischen Lehren, die unserer Aufmerksamkeit wert sind, berücksichtigen die Konsequenzen bei der Beurteilung der Richtigkeit. Eine Lehre, die dies nicht tut, wäre schlicht irrational und verrückt.“ Rawls, J. (2009). A Theory of Justice (Überarbeitete Edition). Harvard University Press, p. 26 ↩︎

  24. Ein wichtiger Vorbehalt: Nicht-Konsequentialisten könnten sich eher zu personenbezogenen Ansichten in der Populationsethik hingezogen fühlen, was dazu führen könnte, dass sie den Interessen künftiger Generationen viel weniger Gewicht beimessen. ↩︎

  25. Wir entlehnen diese Metapher Derek Parfit (2011). On What Matters. Oxford University Press. Parfit verwendet die Metapher des Erklimmens eines Berges, um die ehrgeizigere Behauptung zu untermauern, dass verschiedene moralische Traditionen (konsequentialistische, kantianische und kontraktualistische) am Ende zu derselben Moral_theorie_ konvergieren können. Wir treffen keine solche Aussage. ↩︎