Elemente und Arten des Utilitarismus

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Einführung

Wie in Kapitel 1: Einführung in den Utilitarismus erläutert, besteht der Kerngedanke des Utilitarismus darin, dass wir das Wohlergehen eines jeden Menschen so weit wie möglich verbessern wollen sollten. Utilitaristische Theorien weisen vier gemeinsame Elemente auf: Konsequentialismus, Welfarismus, Unparteilichkeit und Aggregationismus. Der klassische Utilitarismus zeichnet sich durch das Akzeptieren zweier zusätzlicher Elemente aus: erstens des Hedonismus als Theorie des Wohlergehens und zweitens der Gesamtansicht in der Populationsethik. Es gibt mehrere weitere wichtige Unterschiede zwischen verschiedenen utilitaristischen Theorien: Wir können unterscheiden zwischen skalarem und maximierendem oder Satisfaktions-Utilitarismus, zwischen Erwartungs-Utilitarismus und objektivem Utilitarismus, zwischen mehrstufigem und einstufigem Utilitarismus und zwischen globalem und hybridem Utilitarismus.

Die Definition von Utilitarismus

Utilitaristische Theorien haben vier definierende Elemente gemeinsam:

  1. Konsequentialismus
  2. Welfarismus
  3. Unparteilichkeit
  4. Aggregationismus

Kombiniert man diese Elemente, kann man Utilitarismus wie folgt definieren:

Utilitarismus ist die Ansicht, dass man stets das Gesamtwohl mehren sollte.

Manchmal sprechen Philosophen von „Utilität“ oder „Nutzen“ anstelle von „Wohlergehen“, aber in der Regel meinen sie das Gleiche.

Die vier Elemente von Utilitarismus

Konsequentialismus

Utilitarismus ist eine Art des Konsequentialismus, den wir wie folgt definieren:

Konsequentialismus ist die Ansicht, dass man stets gute Ergebnisse fördern sollte.

Laut dieser Sichtweise ist das Erreichen guter Ergebnisse das Einzige, das aus moralischer Sicht letztlich zählt. Um zu beurteilen, ob eine Handlung durchgeführt werden soll, sollten wir daher ihre Gesamtfolgen und nicht irgendwelche anderen Merkmale (wie die Art der Handlung) berücksichtigen. Wenn beispielsweise das Brechen eines Versprechens schlechte Folgen hat — was in der Regel der Fall ist — lehnen Konsequentialisten es ab. Das Brechen eines Versprechens wird jedoch nicht per se als falsch angesehen. In Ausnahmefällen kann das Brechen eines Versprechens die moralisch beste verfügbare Handlung sein, zum Beispiel wenn es notwendig ist, um ein Leben zu retten. Der Zweck heiligt in diesem Fall die Mittel.

Konkurrenten des Konsequentialismus vertreten alternative Darstellungen dessen, was man moralisch tun sollte, die von anderen Merkmalen als dem Wert des Ergebnisses abhängen. Nach der Deontologie beispielsweise geht es bei der Moral darum, ein System von Regeln zu befolgen, beispielsweise „Du sollst nicht lügen“ oder „Du sollst nicht stehlen“. Und nach der Tugendethik geht es bei der Moral im Wesentlichen darum, einen tugendhaften Charakter zu kultivieren. Ein großer Teil der Anziehungskraft von Konsequentialismus mag auf der Überzeugung beruhen, dass die Welt zu verbessern schlicht wichtiger ist als jedes dieser konkurrierenden moralischen Ziele.

Direkter und indirekter Konsequentialismus: Erläuterung der Unterschiede zwischen Handlungs- und Regelutilitarismus

Wenn es darum geht, eine konsequentialistische Erklärung von Richtigkeit zu liefern, wird in der philosophischen Literatur häufig zwischen zwei Ansichten unterschieden, nämlich dem direkten Konsequentialismus und dem indirekten Konsequentialismus.

Nach der direkten Sichtweise hängt die Richtigkeit einer Handlung (oder Regel, Policy usw.) nur von ihren Konsequenzen ab. Um die richtige Handlung aus einer Reihe möglicher Optionen zu bestimmen, sollten wir nach dieser Ansicht direkt bewerten, welche Option die besten Folgen hat. Der Akt- oder Handlungsutilitarismus (oder allgemeiner der Handlungskonsequentialismus) bewertet also direkt die moralische Richtigkeit von Handlungen.

Dem indirekten Konsequentialismus zufolge sollten wir den moralischen Status einer Handlung stattdessen indirekt bewerten, und zwar auf der Grundlage ihrer Beziehung zu etwas anderem (zum Beispiel einer Regel). Dieses andere wird wiederum anhand seiner Folgen beurteilt. Die bekannteste indirekte Sichtweise ist als Regelutilitarismus (oder allgemeiner als Regelkonsequentialismus) bekannt. Nach dem Regelutilitarismus ist eine Handlung dann richtig, wenn sie mit den Regeln übereinstimmt, die die besten utilitaristischen Konsequenzen hätten, wenn sie allgemein akzeptiert oder befolgt würden. Da die moralische Richtigkeit einer Handlung von ihrer Konformität mit einer Regel abhängt und nicht von ihren eigenen Konsequenzen, ist der Regelutilitarismus eine Form des indirekten Konsequentialismus.

Nach unserer Definition des Konsequentialismus ist nur die direkte Sichtweise eine wirklich konsequentialistische Position, während der Regelutilitarismus oder -konsequentialismus trotz seines Namens keine Art des Konsequentialismus ist.1 Wie der weltweit führende Regelkonsequentialist Brad Hooker argumentiert, ist Regelkonsequentialismus nicht glaubhaft durch eine konsequentialistische Verpflichtung zu möglichst guten Ergebnissen motiviert: Das Argument für Regelkonsequentialismus ist vielmehr, dass er intuitiv plausible moralische Regeln unparteiisch rechtfertigt.2 Dies stellt einen wichtigen Unterschied zu fundamental konsequentialistischen Theorien dar.

Obwohl Handlungsutilitarismus nur Handlungen (und nicht Regeln) im Hinblick auf ihre „Richtigkeit“ bewertet, erkennt er dennoch die Bedeutung einer starken Bindung an vertraute moralische Regeln an. Regeln wie „Du sollst nicht lügen“ und „Du sollst nicht töten“ werden als nützliche Richtlinien angesehen, die wir in der Praxis fast immer befolgen sollten — gerade damit unsere Handlungen besser zu guten Ergebnissen führen und Schaden vermeiden. Zur weiteren Diskussion und Klärung siehe den Abschnitt über den „mehrstufigen Utilitarismus“ weiter unten.

Welfarismus

Konsequentialisten unterscheiden sich darin, was sie als das zu fördernde Gut ansehen. Utilitaristen befürworten den Welfarismus, den wir wie folgt definieren:

Welfarismus ist die Ansicht, dass der Wert eines Ergebnisses ausschließlich durch das Wohlergehen der daran beteiligten Personen bestimmt wird.3

Welfarismus geht davon aus, dass positives Wohlbefinden das einzige intrinsische Gut und negatives Wohlbefinden das einzige intrinsische Übel ist. Philosophen verwenden den Begriff „Wohlergehen“, um alles zu beschreiben, was an sich gut für jemanden ist, im Gegensatz zu Dingen, die nur instrumentell gut sind. Mit Geld kann man zum Beispiel viele nützliche Dinge kaufen, es ist daher instrumentell gut für einen, aber Geld zu haben konstituiert nicht an sich Wohlergehen.

Verschiedene Theorien des Wohlergehens betrachten unterschiedliche Dinge als die grundlegenden Bestandteile des Wohlergehens. Die drei wichtigsten Theorien sind Hedonismus, Wunscherfüllungstheorien und Objektive-Listen-Theorien.

Während jede plausible Ansicht anerkennt, dass das Wohlbefinden wichtig ist, lehnen einige Philosophen den Welfarismus ab, indem sie behaupten, dass andere Dinge zusätzlich wichtig sind. Egalitaristen sind beispielsweise der Ansicht, dass Ungleichheit an sich schlecht ist, auch wenn sie einigen nützt und niemandem schadet. Andere wiederum sind der Meinung, dass neben dem Wohlbefinden auch ökologische und ästhetische Werte berücksichtigt werden müssen. Welfaristen behaupten, dass diese anderen Dinge nur insofern von Bedeutung sind, als sie zu jemandes Wohlergehen beitragen.

Unparteilichkeit und gleichberechtigte Berücksichtigung von Interessen

Utilitarismus ist einem Konzept der Unparteilichkeit verpflichtet, das auf der gleichberechtigten Berücksichtigung von Interessen beruht:

Unparteilichkeit ist die Ansicht, dass ein bestimmtes Maß an Wohlbefinden gleich wertvoll ist, unabhängig davon, wessen Wohlbefinden es ist.

Wie der utilitaristische Philosoph Henry Sidgwick konstatiert: „Das Wohl einer Person ist vom Standpunkt… des Universums aus gesehen nicht wichtiger als das Wohl einer anderen Person“.4 ​​Utilitaristen schätzen das Wohlergehen aller Individuen gleichermaßen, unabhängig von ihrer Nationalität, ihrem Geschlecht, davon, wo und wann sie leben, und sogar unabhängig von ihrer Spezies. Dem Utilitarismus zufolge sollte man im Prinzip nicht einmal das eigene Wohl oder das seiner Familie gegenüber dem von weit entfernten Fremden bevorzugen (auch wenn es dafür gute praktische Gründe geben kann).5

Nicht alle Philosophen sind der Meinung, dass Unparteilichkeit ein zentrales Merkmal von Moral ist. Sie sind vielleicht der Meinung, dass wir gegenüber einer bestimmten Gruppe, zum Beispiel unseren Freunden und unserer Familie, parteiisch sein dürfen oder sogar müssen. Oder sie vertreten eine alternative Auffassung von „Unparteilichkeit“, die keine gleichberechtigte Berücksichtigung von Interessen verlangt. Der Prioritarismus gibt beispielsweise den Interessen der am schlechtesten Gestellten, wer auch immer sie sein mögen, zusätzliches Gewicht.

Aggregationismus

Das letzte gemeinsame Element utilitaristischer Theorien ist der Aggregationismus, den wir wie folgt definieren:

Aggregationismus ist die Ansicht, dass der Wert eines Ergebnisses durch den Gesamtwert6 der darin enthaltenen Leben bestimmt wird.7

In Verbindung mit Welfarismus und Unparteilichkeit bedeutet dies, dass wir das Wohlergehen verschiedener Individuen sinnvoll „zusammenzählen“ können und anhand dieser Summe bestimmen können, welche Trade-offs sich lohnen. Der Utilitarismus behauptet zum Beispiel, dass die Verbesserung von fünf Leben um einen bestimmten Betrag fünfmal besser ist als die Verbesserung eines Lebens um den gleichen Betrag.

Einige Philosophen lehnen jede Form von Aggregationismus ab. Sie glauben zum Beispiel, dass ein kleiner Nutzen für viele Menschen nicht größer sein kann als ein großer Nutzen für einige wenige Menschen. Um diese Überzeugung zu veranschaulichen, nehmen wir an, man steht vor der Wahl, entweder das Leben einer bestimmten Person zu retten oder zu verhindern, dass eine große Gruppe von Menschen leichte Kopfschmerzen erleidet. Ein Anti-Aggregationist könnte die Ansicht vertreten, dass die Rettung eines Lebens moralisch wichtiger ist als die Verhinderung von Kopfschmerzen, unabhängig von der Zahl der verhinderten Fälle von Kopfschmerzen. Utilitaristen würden argumentieren, dass, wenn es genügend Menschen gibt, deren Kopfschmerzen man verhindern kann, das Gesamtwohl, das durch die Verhinderung der Kopfschmerzen entsteht, größer ist als das Gesamtwohl, das durch die Rettung des Lebens entsteht, so dass man die Kopfschmerzen verhindern sollte.8 Die Anzahl der Kopfschmerzen, die wir lindern müssen, damit es besser ist, als ein Leben zu retten, könnte in der Praxis extrem hoch sein — aber Utilitaristen glauben dennoch, dass es eine bestimmte Anzahl von Kopfschmerz-Fällen gibt, bei der dieser Kompromiss eingegangen werden sollte.

In der Praxis scheinen viele Menschen und politische Entscheidungsträger diese Art von Trade-offs zu befürworten. Wenn man beispielsweise zulässt, dass Autos auf den Straßen zu schnell fahren, steigt die Zahl der Menschen, die bei Unfällen sterben. Die Einführung extrem niedriger Geschwindigkeitsbegrenzungen würde Menschenleben retten, allerdings um den Preis, dass sie vielen Fahrern Unannehmlichkeiten bereiten. Die meisten Menschen zeigen ein implizites Bekenntnis zum Aggregationsprinzip, indem sie es für schlimmer halten, diese vielen Unannehmlichkeiten zu verursachen, um ein paar Leben zu retten.

Die zwei Elemente des klassischen Utilitarismus

Oben haben wir die vier Elemente erläutert, die von allen utilitaristischen Theorien akzeptiert werden: Konsequentialismus, Welfarismus, Unparteilichkeit und Aggregationismus. Dies ist zwar nützlich, um utilitaristische von nicht-utilitaristischen Moraltheorien zu unterscheiden, aber es gibt auch wichtige Unterscheidungen zwischen unterschiedlichen utilitaristischen Theorien. Je nachdem, wie eine utilitaristische Theorie formuliert ist, kann sie sehr unterschiedliche praktische Auswirkungen haben und mehr oder weniger überzeugend sein.

Die älteste und bekannteste utilitaristische Theorie ist der klassische Utilitarismus, der wie folgt definiert werden kann:

Klassischer Utilitarismus ist die Ansicht, dass man stets die Summe von Freude minus Leid vergrößern sollte.

Klassischer Utilitarismus unterscheidet sich von der breiteren Familie utilitaristischer Ansichten, weil er zwei zusätzliche Elemente akzeptiert: erstens den Hedonismus: die Ansicht, dass das Wohlergehen nur aus bewussten Erfahrungen besteht, und zweitens die Gesamtansicht in der Populationsethik, nach der ein Ergebnis dann und nur dann besser ist als ein anderes, wenn es eine größere Gesamtsumme von Wohlergehen beinhaltet, wobei Wohlergehen entweder dadurch gesteigert werden kann, dass es existierenden Menschen besser geht oder dadurch, dass neue Menschen mit guten Leben geschaffen werden.

Theorien über Wohlergehen: Hedonismus

Hauptartikel: Theorien über Wohlergehen

Klassischer Utilitarismus akzeptiert Hedonismus, den wir wie folgt definieren können, als Theorie des Wohlergehens:

Hedonismus ist die Ansicht, dass Wohlergehen nur auf der Summe von positiven minus negativen bewussten Erfahrungen beruht.

Ethische Hedonisten glauben, dass das Einzige, das an sich gut ist, das Erfahren positiver Bewusstseinszustände, wie Genuss und Vergnügen, ist und dass das Einzige, das an sich schlecht ist, das Erfahren negativer Bewusstseinszustände, wie Elend und Schmerz, ist. Freude und Leid werden von Philosophen üblicherweise als Abkürzung für die Begriffe positive bewusste Erfahrung beziehungsweise negative bewusste Erfahrung verwendet.

Wir erörtern die Argumente für und gegen den Hedonismus — und seine beiden Hauptkonkurrenten, Wunscherfüllungstheorien und Objektive-Listen-Theorien — im Kapitel Theorien über Wohlergehen.

Populationsethik: die Gesamtansicht

Hauptartikel: Populationsethik

Klassischer Utilitarismus geht von einer populationsethischen Theorie aus, die wir Gesamtansicht nennen können und die besagt:

Ein Ergebnis ist dann und nur dann besser als ein anderes, wenn es ein größeres Gesamtwohl beinhaltet.

Die Gesamtansicht impliziert, dass wir die Welt auf zwei Arten verbessern können:9 Entweder können wir die Lebensqualität existierender Menschen verbessern, oder wir können die Zahl der Menschen, die ein positives Leben führen, erhöhen.10 In der Praxis gibt es oft Abwägungen zwischen dem Ziel, existierende Menschen glücklicher zu machen, und der Schaffung zusätzlicher glücklicher Menschen. Auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen kann das Hinzufügen weiterer Menschen zu einer bereits großen Bevölkerung irgendwann die Lebensqualität aller anderen so stark beeinträchtigen, dass das Gesamtwohl sinkt.

Die wichtigste praktische Implikation der Gesamtansicht besteht darin, dass der Sicherung des langfristigen Gedeihens der Zivilisation große Bedeutung beigemessen wird. Da das Gesamtwohl, das alle zukünftigen Menschen genießen können, potenziell enorm ist, ist das Mitigieren existenzieller Risiken — die diesen immensen zukünftigen Wert zu zerstören drohen — eine der wichtigsten moralischen Aufgaben der Menschheit.

Zu den Alternativen zur Gesamtansicht in der Populationsethik gehören die Durchschnitts-Betrachtung, Theorien über variable Werte, Theorien über kritische Werte (und Spannen) und personenbezogene Theorien. Wir erläutern und diskutieren diese Theorien im Kapitel über Populationsethik.

Weitere Unterscheidungen zwischen utilitaristischen Theorien

Nach dem Wählen bevorzugter Theorien über Wohlergehen und Populationsethik sollte man sich auch Gedanken über Folgendes machen:

  1. wie (oder ob) man einen Begriff von Richtigkeit konstruiert;
  2. wann man sich auf die tatsächlichen und wann auf die erwarteten Konsequenzen fokussieren sollte;
  3. welche Rolle einfacher, aus dem Utilitarismus abgeleiteter Heuristiken in der Steuerung unseres alltäglichen Handelns zukommt; und
  4. welche Formen der moralischen Bewertung für Regeln, Motive, Charakter und andere Objekte des moralischen Interesses jenseits von Handlungen gelten.

Richtigkeit rekonstruieren: maximierender, Satisfaktions- und skalarer Utilitarismus

Utilitarismus wird meist in seiner Maximierungsform formuliert: Innerhalb einer beliebigen Menge von Optionen ist die Handlung, die das größte Wohlbefinden erzeugt, richtig, und alle anderen Handlungen sind falsch.

Dies ist zwar die häufigste Darstellung von Utilitarismus,11 kann aber in mancher Hinsicht irreführend sein. Utilitaristen sind sich einig, dass man idealerweise die Handlung wählen sollte, die das Gesamtwohl am besten fördert. Das ist das, wofür man die meisten moralischen Gründe hat. Aber sie empfehlen nicht, es jedem jedes Mal zum Vorwurf zu machen, wenn er diesem Ideal nicht gerecht wird.12 Daher halten es viele Utilitaristen für irreführend, ihre Behauptungen darüber, was idealerweise getan werden sollte, als eine Darstellung moralischer „Richtigkeit“ oder „Verpflichtung“ im gewöhnlichen Sinne zu verstehen.13

Zur weiteren Veranschaulichung: Nehmen wir an, Sophie könnte entweder niemanden oder 999 Menschen unter großen persönlichen Opfern oder 1.000 Menschen unter noch größeren persönlichen Opfern retten. Aus utilitaristischer Sicht ist es am wichtigsten, dass Sophie entweder die 999 Menschen oder die 1.000 Menschen rettet, anstatt niemanden zu retten; der Unterschied zwischen Sophies Rettung von 999 Menschen und 1.000 Menschen ist vergleichsweise gering. Nach der Maximierungsform des Utilitarismus würden jedoch sowohl die Rettung von niemandem als auch die Rettung der 999 Menschen einfach als „falsch“ bezeichnet werden. Auch wenn wir eine maximierende Darstellung dessen, was Agenten idealerweise tun sollten, durchaus akzeptieren können, lassen sich darüber hinaus noch weitere moralische Aussagen treffen.

Satisfaktions-Utilitarismus geht stattdessen davon aus, dass innerhalb einer beliebigen Menge von Optionen eine Handlung dann und nur dann richtig ist, wenn sie genügend Wohlbefinden erzeugt.14 Dieser Vorschlag ist mit seinen eigenen Problemen behaftet und hat noch keine breite Unterstützung gefunden.15 In dem im vorigen Absatz geschilderten Fall wollen wir immer noch sagen, dass es gute Gründe gibt, die 1.000 Menschen zu retten und nicht die 999 Menschen; beide Handlungen als richtig zu bezeichnen, würde das Risiko mit sich bringen, den wichtigen moralischen Unterschied zwischen diesen beiden Optionen zu ignorieren. Während wir uns also zu einer befriedigenden Darstellung dessen, was Agenten tun müssen, um minimale moralische Standards zu erfüllen, hingezogen fühlen könnten,16 bedarf auch diese Ansicht der Ergänzung.

Stattdessen ist es heute unter führenden Utilitaristen beliebter, eine Form des skalaren Utilitarismus zu befürworten, der wie folgt definiert werden kann:

Skalarer Utilitarismus ist die Ansicht, dass die moralische Bewertung eine Frage des Grades ist: Je mehr eine Handlung Wohlergehen fördert, desto mehr moralische Gründe hat man, diese Handlung auszuführen.17

Nach dieser Auffassung gibt es keine grundlegende, scharfe Unterscheidung zwischen „richtigen“ und „falschen“ Handlungen, sondern nur eine kontinuierliche Skala von moralisch besser bis schlechter.18

Philosophen haben den maximierenden Utilitarismus, den Satisfaktions-Utilitarismus und den skalaren Utilitarismus traditionell als konkurrierende Ansichten betrachtet. In jüngerer Zeit wurde jedoch vorgeschlagen, dass Utilitaristen alle drei Ansichten akzeptieren könnten, indem sie mehrere verschiedene Bedeutungen von ,sollen‘ oder ,richtig‘ konstruieren.19 Nach dieser pluralistischen Sichtweise (i) haben Maximierer Recht, wenn sie meinen, dass Sophie idealerweise alle 1.000 Menschen retten sollte; (ii) Satisfizierer könnten Recht haben, wenn sie meinen, dass die Rettung von 999 Menschen minimal akzeptabel ist, während die Rettung von niemandem inakzeptabel ist; und (iii) Skalar-Utilitaristen haben Recht, wenn sie meinen, dass es letztlich eine Frage des Grades ist und dass der Gewinn aus der Rettung von 999 Menschen anstelle von null Menschen den Gewinn aus der Rettung von 1.000 Menschen anstelle von 999 Menschen in den Schatten stellt.

Erwartungs-Utilitarismus versus objektiver Utilitarismus

Angesichts unserer kognitiven und epistemischen Limitierungen können wir nicht alle Folgen unseres Handelns vorhersehen. Viele Philosophen haben die Auffassung vertreten, dass das, was wir tun sollten, davon abhängt, was wir zum Zeitpunkt der Handlung glauben (sollten). Das bekannteste Beispiel für solche Theorien ist der Erwartungs-Utilitarismus.20

Erwartungs-Utilitarismus ist die Ansicht, dass wir erwartetes Wohlergehen fördern sollten.

Erwartungs-Utilitarismus besagt, dass wir die Handlungen mit dem höchsten Erwartungswert wählen sollten.21 Der Erwartungswert einer Handlung ist die Summe des Wertes jedes möglichen Ergebnisses multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit des Eintretens dieses Ergebnisses. Dieser Ansatz folgt der Erwartungsnutzentheorie, der gängigsten Theorie der rationalen Entscheidungsfindung unter Unsicherheit. Laut Erwartungs-Utilitarismus sollten wir beispielsweise eine 10 % Chance, 1.000 Leben zu retten, einer 50 % Chance, 150 Leben zu retten, vorziehen, weil die erste Option erwartungsgemäß 100 Leben rettet (= 10 % x 1.000 Leben), während die zweite Option erwartungsgemäß 75 Leben rettet (= 50 % x 150 Leben). Dies ist eine Theorie über rationale Entscheidung unter moralischen Gesichtspunkten.

Objektiver Utilitarismus hingegen geht davon aus, dass das Ausmaß, in dem wir eine Handlung ausführen sollten, von dem Wohlergehen abhängt, das sie tatsächlich produzieren wird. Der Gegensatz zwischen den beiden Ansichten lässt sich anhand eines Gedankenexperiments veranschaulichen:

Die riskante Behandlung: Eine Patientin leidet an chronischem Schnupfen, der sie, wenn er nicht behandelt wird, für den Rest ihres Lebens mit einem leicht verminderten Wohlbefinden zurücklassen wird. Die einzige Behandlung für ihren Zustand ist sehr riskant und hat nur eine Erfolgschance von 1 %. Wenn die Behandlung erfolgreich ist, wird sie vollständig geheilt, aber andernfalls wird sie zum Tod führen. Ihr Arzt verabreicht ihr die Behandlung, die Behandlung ist erfolgreich und die Patientin wird geheilt.

Die Handlung des Arztes hat — rein zufällig und gegen überwältigende Wahrscheinlichkeit — zum besten Ergebnis für die Patientin geführt. Wenn er sie nicht behandelt hätte, wäre sie schlechter dran gewesen. Laut objektivem Utilitarismus hat der Arzt also richtig gehandelt. Aus der Sicht des Erwartungs-Utilitarismus war die Handlung jedoch falsch. Die erwarteten Folgen der Behandlung mit ihrer überwältigenden Wahrscheinlichkeit, die Patientin zu töten, waren für die Patientin viel schlimmer als die Nichtbehandlung. Die Entscheidung des Arztes erwies sich als äußerst glücklich, aber sie war angesichts der verfügbaren Informationen extrem leichtsinnig und irrational.

Wenn es auf diese Weise einen Konflikt zwischen der tatsächlich besten und der erwartungsgemäß besten Handlung gibt, gibt es dann eine Tatsache, welche Handlung „wirklich“ richtig ist? Viele Philosophen sind der Ansicht, dass es sich um einen rein verbalen Streit handelt. Wir können von der tatsächlich besten Option als „objektiv richtig“ und von der erwartungsgemäß besten Option als „subjektiv richtig“ sprechen, und jedes dieser Konzepte könnte eine legitime theoretische Rolle spielen. Zum Beispiel sollten wir es vorziehen, dass das tatsächlich beste Ergebnis erzielt wird. Aber wir sollten auch erkennen, dass es angesichts unserer kognitiven Grenzen in der Praxis klug wäre, sich stattdessen von Überlegungen zum Erwartungswert leiten zu lassen.

Mehrstufiger Utilitarismus versus einstufiger Utilitarismus

In der Fachliteratur zum Utilitarismus wird eine nützliche Unterscheidung zwischen einem Kriterium der Richtigkeit und einem Entscheidungsverfahren getroffen. Ein Kriterium der Richtigkeit sagt uns, was nötig ist, damit eine Handlung (oder eine Regel, Policy usw.) richtig oder falsch ist. Ein Entscheidungsverfahren ist etwas, das wir verwenden, wenn wir darüber nachdenken, was zu tun ist.22

Utilitaristen glauben, dass ihre Moraltheorie das richtige Kriterium für Richtigkeit ist (zumindest im Sinne dessen, was „idealerweise getan werden sollte“, wie oben erläutert). Allerdings raten sie fast durchgängig davon ab, Utilitarismus als Entscheidungsverfahren für unser tägliches Handeln zu verwenden. Dies würde bedeuten, dass wir bewusst versuchen würden, das allgemeine Wohlbefinden zu fördern, indem wir ständig die erwarteten Folgen unserer täglichen Handlungen berechnen. Es wäre jedoch absurd, bei der Entscheidung, welche Frühstücksflocken man im Supermarkt kaufen soll, alle möglichen Konsequenzen des Kaufs verschiedener Getreidesorten durchzudenken, um festzustellen, welche am besten zum allgemeinen Wohlbefinden beiträgt. Bei dieser Entscheidung steht nicht viel auf dem Spiel und es lohnt sich nicht, viel Zeit darauf zu verwenden.

Die Ansicht, die den Utilitarismus sowohl als Kriterium der Richtigkeit als auch als Entscheidungsverfahren betrachtet, wird als einstufiger Utilitarismus bezeichnet. Seine Alternative ist der mehrstufige Utilitarismus, der den Utilitarismus nur als Kriterium für die Richtigkeit, nicht aber als Entscheidungsverfahren betrachtet. Er wird wie folgt definiert:

Mehrstufiger Utilitarismus ist die Ansicht, dass der Einzelne in der Regel bewährten Faustregeln — oder Heuristiken — folgen sollte, anstatt zu versuchen, zu berechnen, welche Handlung das größte Wohlbefinden erzeugt.

Laut mehrstufigem Utilitarismus sollten wir unter den meisten Umständen eine Reihe einfacher moralischer Heuristiken befolgen — nicht lügen, nicht stehlen, nicht töten usw. — in der Erwartung, dass dies insgesamt zu den besten Ergebnissen führen wird. Oftmals sollten wir uns bei unseren Handlungen an den moralischen Normen und Gesetzen unserer Gesellschaft orientieren. Die Befolgung dieser Normen und Gesetze führt in der Regel zu guten Ergebnissen, da sie auf Erfahrungen der Gesellschaft dazu, was das allgemeine Wohlergehen befördert, beruhen. Die Tatsache, dass Ehrlichkeit, Integrität, das Einhalten von Versprechen und das Einhalten von Gesetzen im Allgemeinen gute Folgen haben, erklärt, warum Utilitaristen diese Dinge in der Praxis hoch schätzen und sie als Richtschnur für ihr tägliches Handeln verwenden.23

Im Gegensatz dazu hat unseres Wissens niemand jemals den einstufigen Utilitarismus verteidigt, auch nicht die klassischen Utilitaristen.24 Das bewusste Berechnen der erwarteten Konsequenzen unserer Handlungen ist fehleranfällig und birgt die Gefahr, in Entscheidungslähmung zu verfallen.

Manchmal behaupten Philosophen, mehrstufiger Utilitarismus sei inkohärent. Dies ist jedoch nicht der Fall. Man betrachte die folgende Metapher von Walter Sinnott-Armstrong: Die Gesetze der Physik regeln den Flug eines Golfballs, aber ein Golfer muss keine physikalischen Kräfte berechnen, wenn er seine Schläge plant.25 In ähnlicher Weise betrachten Utilitaristen der mehrstufigen Auffassung Utilitarismus als Regelwerk für die Richtigkeit von Handlungen, aber sie müssen keine erwarteten Konsequenzen berechnen, um Entscheidungen zu treffen. In dem Maße, in dem die Befolgung der vom mehrstufigen Utilitarismus empfohlenen Heuristiken zu besseren Ergebnissen führt, ist die Theorie erfolgreich.

Ein gängiger Einwand gegen mehrstufigen Utilitarismus lautet, er sei selbstverleugnend. Eine Theorie gilt als (teilweise) selbstverleugnend, wenn sie ihren Anhängern (manchmal) vorschreibt, einer anderen Theorie zu folgen. Mehrstufiger Utilitarismus verbietet oft die Anwendung des utilitaristischen Kriteriums bei der Entscheidungsfindung und empfiehlt stattdessen, nach nicht-utilitaristischen Heuristiken zu handeln. Es ist jedoch nicht widersprüchlich zu sagen, dass das Kriterium der moralischen Richtigkeit nicht mit dem von ihm empfohlenen Entscheidungsverfahren übereinstimmt. Diese Aussage bedeutet nicht, dass die Theorie versagt.

Unterschiede zwischen mehrstufigem Utilitarismus und Regelutilitarismus

Mehrstufiger Utilitarismus klingt ähnlich wie der oben erwähnte Regelutilitarismus. Man kann die beiden leicht verwechseln. Dennoch unterscheiden sich die beiden Theorien und es ist wichtig zu verstehen, wie sie sich unterscheiden.

Mehrstufiger Utilitarismus akzeptiert Utilitarismus als Kriterium für moralische Richtigkeit. Das bedeutet, dass er empfohlene Heuristiken nicht als ultimative ethische Rechtfertigung für jede Handlung ansieht, die stattdessen durch die Tendenz der Handlung zur Steigerung des Wohlbefindens bestimmt wird. Im Gegensatz dazu ist für den Regelutilitarismus die Konformität mit einer Reihe von Regeln das Kriterium für moralische Richtigkeit: Der Grund, warum eine Handlung richtig oder falsch ist, ist, dass sie mit der richtigen Reihe von Regeln übereinstimmt oder nicht.

Insofern man das grundlegende utilitaristische Anliegen der Förderung von Wohlergehen teilt und lediglich befürchtet, dass das bewusste Verfolgen dieses Ziels sich als kontraproduktiv erweisen könnte, sollte dies einen dazu veranlassen, mehrstufigen Utilitarismus zu akzeptieren — und nicht irgendeine Form des Regelutilitarismus.

Globaler Utilitarismus und hybrider Utilitarismus

Die meisten Diskussionen über Utilitarismus drehen sich um den Handlungsutilitarismus und sein Kriterium des richtigen Handelns. Es ist jedoch wichtig zu erkennen, dass Utilitaristen ebenso gut die Tendenz anderer Dinge — wie Motive, Regeln, Charaktereigenschaften, Policies und soziale Institutionen — zur Förderung von Wohlergehen berücksichtigen können. Da es im Utilitarismus im Wesentlichen um die Förderung von Wohlergehen geht, sollten wir nicht nur die Handlungen ausführen wollen, die Wohlergehen fördern. Wir sollten auch die Motive, Regeln, Charaktereigenschaften, Strategien, Institutionen und so weiter wollen, die Wohlergehen fördern.

Dieser Aspekt des Utilitarismus ist manchmal übersehen worden, so dass diejenigen, die seine Anwendbarkeit auf andere Dinge als nur Handlungen hervorheben wollen, manchmal den Begriff „globaler Utilitarismus“ verwenden, um diesen Punkt zu betonen:26

Globaler Utilitarismus ist die Ansicht, dass die utilitaristischen Standards der moralischen Bewertung für alles gelten, was von Interesse ist.

Globaler Utilitarismus bewertet die moralische Natur beispielsweise einer bestimmten Charaktereigenschaft, wie Freundlichkeit oder Loyalität, auf der Grundlage der Konsequenzen, die diese Eigenschaft für das Wohlergehen anderer hat — genauso wie der Handlungsutilitarismus Handlungen moralisch bewertet. Dieser breite Fokus kann dazu beitragen, bestimmte vermeintlich „nicht-konsequentialistische“ Intuitionen zu erklären oder zu berücksichtigen. Er erfasst zum Beispiel das Verständnis, dass es bei Moral nicht nur darum geht, richtige Handlungen auszuwählen, sondern auch darum, bestimmte Regeln zu befolgen und einen tugendhaften Charakter zu kultivieren.

Soweit dürften alle Utilitaristen miteinander übereinstimmen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese direkte utilitaristische Bewertung die moralische Beurteilung erschöpft, oder ob darüber hinaus noch andere (wenn auch weniger wichtige) Arten der moralischen Bewertung eine Rolle spielen. Müssen Utilitaristen beispielsweise Tugend direkt als eine Frage von Charaktereigenschaften verstehen, die tendenziell das Wohlergehen fördern,27 oder könnten sie sich auf eine lockerere, aber intuitivere Verbindung berufen (z. B. als Manifestation einer positiven Ausrichtung auf das Gute)?28

Eine Herausforderung für den reinen globalen Utilitarismus besteht darin, dass er nicht alle moralischen Bewertungen erfasst, die wir intuitiv vornehmen können möchten. Man stelle sich zum Beispiel eine Welt vor, in der moralische Missbilligung zuverlässig kontraproduktiv ist: Wenn man jemanden dafür tadelt, dass er X getan hat, würde er in Zukunft nur noch sturer X tun. Da wir nur wollen, dass Menschen mehr gute Taten begehen, würde daraus folgen, dass nur gute Taten, nicht aber schlechte, tadelns_wert_ wären?

Hier ist es wichtig, zwei Behauptungen zu unterscheiden. Die eine ist die direkte utilitaristische Einschätzung, dass es gut wäre, Menschen für gute Taten zu tadeln und nicht für schlechte, da dies die besten Ergebnisse (in dem vorgestellten Szenario) bringen würde. Eine zweite — andere — Behauptung ist, dass in dem Sinne, dass sie inhärent, also an sich, moralische Missbilligung verdienen, nur schlechte Handlungen wirklich tadelns_wert_ sind.29 Wichtig ist, dass diese beiden Behauptungen miteinander vereinbar sind. Wir können sowohl der Meinung sein, dass (zum Beispiel) grundlose Folter moralische Missbilligung rechtfertigt, als auch, dass es eine schlechte Idee wäre, diese Missbilligung zu äußern, wenn dies die Dinge nur noch schlimmer machen würde.

Dieses Argument kann dazu führen, dass man eine Form des hybriden Utilitarismus befürwortet, den wir wie folgt definieren:

Hybrider Utilitarismus ist die Ansicht, dass man zwar immer das Gesamtwohl fördern sollte, die moralische Qualität eines Ziels oder einer Absicht aber auch von anderen Faktoren abhängen kann als davon, ob sie das Gesamtwohl fördert.

Insbesondere können hybride Utilitaristen Tugend und die Frage, ob etwas lobenswert ist, so verstehen, dass sie sich darauf beziehen, ob das betreffende Individuum gute Ergebnisse beabsichtigt. Im Gegensatz dazu bezieht die global utilitaristische Bewertung sich darauf, ob die Absichten tatsächlich zu guten Ergebnissen führen. Wenn diese beiden Aspekte miteinander in Konflikt geraten, sollten wir es vorziehen, gute Ergebnisse zu erzielen, anstatt sie lediglich zu beabsichtigen — in diesem Sinne stimmt der hybride Utilitarist mit vielem überein, was der globale Utilitarist sagen möchte. Hybridisten sind lediglich der Meinung, dass es noch mehr zu sagen gibt.30 Wenn zum Beispiel jemand unwissentlich anti-zuverlässig ist, wenn es darum geht, seine Ziele zu erreichen (das heißt, er erreicht zuverlässig das Gegenteil von dem, was er beabsichtigt, ohne es zu merken), wäre es natürlich bedauerlich, wenn er aufrichtig das Allgemeinwohl fördern wollte, und wir sollten ihn davon abhalten, dieses Ziel zu verfolgen, wenn wir können. Aber seine guten Absichten können dennoch genuin tugendhaft und bewundernswert sein.

Puristen mögen einwenden, dass hybrider Utilitarismus nicht „wirklich“ eine Form des Utilitarismus ist. In der Tat handelt es sich um eine hybride Sichtweise, die utilitaristische Behauptungen (darüber, was wichtig ist und was getan werden sollte) verbindet mit über direkte utilitaristische Bewertung hinausgehenden Behauptungen über Tugend und darüber, was lobens- und tadelnswert ist. Solange diese weiteren Aussagen jedoch nicht mit den zentralen utilitaristischen Aussagen dazu, was wichtig ist und was getan werden sollte, in Konflikt geraten, scheint es keinen Grund zu geben, beide Arten von Aussagen nicht zu einer einheitlichen Sichtweise zu kombinieren. Dies könnte sich als Erleichterung für diejenigen erweisen, die sich ansonsten zum Utilitarismus hingezogen fühlen, die aber reine globale utilitaristische Behauptungen über Tugend und Schuldhaftigkeit intuitiv unplausibel oder unvollständig finden.

Konklusion

Alle utilitaristischen ethischen Theorien weisen vier gemeinsame Merkmale auf: Sie sind konsequentialistisch, welfaristisch, unparteiisch und aggregationistisch. Infolgedessen messen sie der Mehrung des Gesamtwohls höchste moralische Bedeutung bei.

Innerhalb dieser Familie gibt es viele Varianten von utilitaristischen Theorien. Die bekannteste von ihnen ist der klassische Utilitarismus. Diese Theorie zeichnet sich dadurch aus, dass sie Hedonismus als Theorie des Wohlergehens und in der Populationsethik die Gesamtansicht akzeptiert.

Es gibt eine Reihe weiterer Unterscheidungen zwischen utilitaristischen Theorien: Wir können zwischen skalarem, maximierendem und Satisfaktions-Utilitarismus, zwischen erwartungsorientiertem und objektivem Utilitarismus, zwischen mehrstufigem und einstufigem Utilitarismus und zwischen hybridem und reinem globalen Utilitarismus unterscheiden. Diese Unterscheidungen können einen erheblichen Einfluss darauf haben, wie plausibel man die resultierende Ansicht findet und wie anfällig sie für verschiedene Einwände ist.

Im nächsten Kapitel werden Argumente für Utilitarismus und Konsequentialismus im weiteren Sinne erörtert.


Diese Seite zitieren

Chappell, R.Y., Meissner, D. und MacAskill, W. (2023). Elemente und Arten des Utilitarismus. In R.Y. Chappell, D. Meissner und W. MacAskill (Hrsg.), Einführung in den Utilitarismus, <https://www.utilitarismus.net/arten-des-utilitarismus>, aus dem Englischen von S. Dalügge, zuletzt aufgerufen am .

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Maximierender, Satisfaktions- und skalarer Utilitarismus

Erwartungs-Utilitarismus versus objektiver Utilitarismus

Mehrstufiger versus einstufiger Utilitarismus

Globaler Utilitarismus versus hybrider Utilitarismus


  1. Einige andere Fälle, in denen Namen irreführend sein können: Kräutertee ist keine Teesorte; eine Plastikblume ist keine Blumenart und fliegende Lemuren sind weder Lemuren noch können sie fliegen. ↩︎

  2. So schreibt Hooker: „Die Stichhaltigkeit dieser Verteidigung des Regelkonsequentialismus gegen den Einwand der Inkohärenz kann auch davon abhängen, wie das Argument für Regelkonsequentialismus lauten soll. Die Verteidigung scheint weniger tragfähig zu sein, wenn das Argument für den Regelkonsequentialismus von einer Verpflichtung zu konsequentialistischen Bewertungen ausgeht. Denn eine solche Verpflichtung scheint einer vorrangigen Verpflichtung zur Maximierung des erwarteten Nutzens sehr nahe zu kommen. Die Verteidigung gegen den Inkohärenzeinwand scheint jedoch weitaus stichhaltiger zu sein, wenn das Argument für Regelkonsequentialismus darin besteht, dass diese Theorie besser als jede andere Moraltheorie in der Lage ist, eine unparteiische Rechtfertigung für intuitiv plausible moralische Regeln anzugeben.“ Hooker, B. (2016). Rule Consequentialism, In Zalta, E. N. (Hrsg). The Stanford Encyclopedia of Philosophy↩︎

  3. Wenn man auch der (beispielsweise gleichmäßigeren) Verteilung des Wohlstands Wert beimisst, geht man über den Welfarismus hinaus, indem man etwas anderes als Wohlergehen selbst als inhärent wertvoll betrachtet. ↩︎

  4. Sidgwick, H. (1874). The Methods of Ethics. Bennett, J. (Hrsg), p. 186. ↩︎

  5. Siehe dazu den Einwand bezüglich besonderer Verpflichtungen↩︎

  6. Im Prinzip sind auch andere Aggregationsmethoden (wie Multiplikation oder etwas Komplexeres) denkbar. Wir konzentrieren uns hier jedoch auf die additive Form des Aggregationismus, da dies die bei weitem häufigste Ansicht ist. ↩︎

  7. Diese Definition gilt für Fälle mit fester Bevölkerung, in dem die eigenen Handlungen keinen Einfluss auf die Anzahl oder Identität von Menschen haben. Es gibt aggregationistische Theorien, die sich darin unterscheiden, wie sie mit variablen Populationen umgehen. Dies ist eine technische Frage, die für die Diskussion von Populationsethik in Kapitel 5 relevant ist. ↩︎

  8. Derek Parfit argumentiert weiter, dass anti-aggregative Prinzipien unplausibel sind, da sie Entscheidungen befürworten, die, wenn sie ausreichend oft in der Bevölkerung wiederholt werden, jeden schlechter stellen würden. Parfit, D. (2003). Justifiability to each person. Ratio, 16(4): 368–390. ↩︎

  9. Technisch gesehen wäre eine dritte Möglichkeit, die Zahl der negativen Leben zu verringern. In der Tat unterstützen viele Utilitaristen die (freiwillige) Euthanasie, die auf der Erkenntnis beruht, dass ein Leben mit Leiden schlimmer sein kann als gar kein Leben. Siehe zum Beispiel Singer, P. (2011). Kapitel 7: Taking Life: Humans, Practical Ethics, 3. Ed. Cambridge University Press. ↩︎

  10. Der Begriff des positiven Lebens, der für die Gesamtbetrachtung ausschlaggebend ist, macht nur im Verhältnis zu einem Nullpunkt auf der Wohlbefindensskala Sinn. Dieser Nullpunkt ist die Schwelle, ab der das Leben „lebenswert“ wird. Ein „neutrales Leben“ auf dem Wohlergehensniveau 0 ist weder „lebenswert“ noch „nicht lebenswert“. Dies kann entweder ein Leben ohne Wert oder Unwert sein oder ein Leben mit genau so viel Wert wie Unwert. Für eine Diskussion über die Feinheiten des Konzepts eines „lebenswerten“ Lebens, siehe Broome, J. (2004). Weighing Lives. Oxford: Oxford University Press, pp. 66–68. ↩︎

  11. Es ist jedoch zu beachten, dass dies nicht direkt mit dem übereinstimmt, was Bentham und Mill unter Utilitarismus verstanden. Bentham sagte zum Beispiel, dass Handlungen „nach der Tendenz“ bewertet werden sollten, mit der sie das Wohlergehen erhöhen oder verringern. In ähnlicher Weise argumentierte Mill, dass „Handlungen in dem Maße richtig sind, wie sie dazu neigen, das Glück zu fördern, und in dem Maße falsch, wie sie dazu neigen, das Gegenteil von Glück zu erzeugen“. Bentham, J. (1789). An Introduction to the Principles of Morals and Legislation. Bennett, J. (Hrsg), p. 7. Mill, J. S. (1863). Utilitarianism. Bennett, J. (Hrsg), p. 5. ↩︎

  12. Schuldvorwürfe können entweder als eine Haltung (moralische Missbilligung) oder als eine Handlung (Ausdruck dieser Missbilligung) betrachtet werden. Für Utilitaristen sind tadelnde Handlungen wie jede andere Handlung, da sie nur dann ausgeführt werden sollten, wenn sie dem Steigern des Gesamtwohls dienen. Übermäßig viele Schuldvorwürfe hätten wahrscheinlich schlechte Folgen, weil sie Menschen davon abhalten, überhaupt etwas zu versuchen. Stattdessen sollten wir normalerweise Menschen loben, die Schritte in die richtige Richtung unternehmen. Zur moralischen Bewertung von Verhaltensweisen siehe die Diskussion über globalen versus hybriden Utilitarismus weiter unten. ↩︎

  13. Railton, P. (1988). How Thinking about Character and Utilitarianism Might Lead to Rethinking the Character of Utilitarianism. Midwest Studies in Philosophy 13 (1): 398-416, p.407. Norcross, A. (2020). Morality by Degrees: Reasons Without Demands. Oxford University Press. ↩︎

  14. Für eine Diskussion dieser Ansicht, siehe Slote, M. & Pettit, P. (1984). Satisficing Consequentialism. Proceedings of the Aristotelian Society, Supplementary Volumes. 58: 139–163 & 165–176. ↩︎

  15. Insbesondere fällt es den traditionellen Satisfaktionstheorien schwer, eine nicht willkürliche Festlegung der Schwelle für „genug“ Gutes zu bieten, und sie sind anfällig für den Einwand, dass sie die grundlose Verhinderung von Gutem oberhalb dieser Schwelle zulassen. Beide Einwände werden behandelt in Chappell, R.Y. (2019). Willpower Satisficing. Noûs 53(2): 251–265. ↩︎

  16. Siehe z. B. Chappell, R.Y. (2020). Deontic Pluralism and the Right Amount of Good. In Douglas W. Portmore (Hrsg), The Oxford Handbook of Consequentialism. Oxford University Press. pp. 498–512. ↩︎

  17. Norcross, A. (2020). Morality by Degrees: Reasons Without Demands. Oxford University Press. ↩︎

  18. Sinhababu (2018) vertritt eine Form des skalaren Konsequentialismus, der richtig und falsch selbst als eine Frage des Grades ansieht, wobei die Grenze zwischen den beiden durch den Gesprächskontext und nicht durch irgendetwas moralisch Grundlegendes (oder in der Tat in irgendeiner Weise wirklich Bedeutendes) bestimmt wird. Daher scheint dies eine rein verbale Variante der Definition zu sein, die wir hier verwenden. Sinhababu, N. (2018). Scalar Consequentialism the Right Way. Philosophical Studies. 175: 3131–3144. ↩︎

  19. Chappell, R.Y. (2020). Deontic Pluralism and the Right Amount of Good. In Douglas W. Portmore (Hrsg), The Oxford Handbook of Consequentialism. Oxford University Press. pp. 498-512. ↩︎

  20. Jackson, F. (1991). Decision-theoretic consequentialism and the nearest and dearest objection. Ethics, 101(3): 461–482. ↩︎

  21. In Übereinstimmung mit der obigen Erklärung von Welfarismus verstehen Utilitaristen jeglicher Art „Wert“ im Sinne von Wohlergehen. ↩︎

  22. Bales, R. E. (1971). Act-Utilitarianism: Account of Right-Making Characteristics or Decision-Making Procedure? American Philosophical Quarterly. 8(3): 257–265. Für eine Diskussion der mehrstufigen Sicht im Kontext von Mills Utilitarismus siehe Crisp, R. (1997). Routledge Philosophy Guidebook to Mill on Utilitarianism. Abingdon: Routledge, pp. 105–112. ↩︎

  23. Hare, R. M. (1981). Moral Thinking: Its Levels, Method, and Point. Oxford: Oxford University Press. Railton, P. (1984). Alienation, consequentialism, and the demands of morality. Philosophy and Public Affairs. 13(2): 134–171. ↩︎

  24. Jeremy Bentham lehnte den einstufigen Utilitarismus ab, indem er schrieb, dass „es nicht zu erwarten ist, dass dieser Prozess [der Berechnung der erwarteten Konsequenzen] vor jedem moralischen Urteil strikt durchgeführt werden sollte“. Bentham, J. (1789). An Introduction to the Principles of Morals and Legislation. Bennett, J. (Hrsg), p. 23. Henry Sidgwick stimmt dem zu, indem er schreibt, dass „das Ziel, das das Kriterium der Richtigkeit liefert, nicht immer das Ziel sein muss, das wir bewusst anstreben; und wenn die Erfahrung zeigt, dass das allgemeine Glück besser erreicht wird, wenn Menschen häufig aus anderen Motiven als aus der reinen universellen Philanthropie heraus handeln, sind diese anderen Motive nach utilitaristischen Grundsätzen vorzuziehen“. Sidgwick, H. (1874). The Methods of Ethics. Bennett, J. (Hrsg), p. 201. ↩︎

  25. Sinnott-Armstrong, W. (2019). Consequentialism, The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Zalta, E. N. (Hrsg). ↩︎

  26. Befürworter des globalen Konsequentialismus haben ihn als Abkehr vom traditionellen Handlungskonsequentialismus bezeichnet, wobei sich diese Behauptung als umstritten erwiesen hat. Zur Befürwortung des globalen Konsequentialismus als eigenständige Ansicht siehe: Pettit, P. & Smith, M. (2000). Global Consequentialism, in Brad Hooker, Elinor Mason & Dale Miller (Hrsg.), Morality, Rules and Consequences: A Critical Reader. Edinburgh University Press. Ord, T. (2009). Beyond Action: Applying Consequentialism to Decision Making and Motivation. DPhil Thesis, University of Oxford. Für Kritiken siehe: McElwee, B. (2020). The Ambitions of Consequentialism. Journal of Ethics and Social Philosophy. 17(2). Chappell, R. Y. (2012). Fittingness: The Sole Normative Primitive. Philosophical Quarterly. 62(249): 684–704. Letzterer argumentiert, dass der globale Konsequentialismus am besten als eine rein verbale Variante des Handlungskonsequentialismus zu verstehen ist. ↩︎

  27. Driver, J. (2001). Kapitel Vier: A Consequentialist Theory of Virtue. Uneasy Virtue. Cambridge University Press, 63–83. ↩︎

  28. Hurka, T. (2001). Virtue, Vice, and Value. Oxford University Press. ↩︎

  29. Dies spiegelt Parfits Unterscheidung zwischen ,durch den Zustand gegebenen‘ und ,objektiv gegebenen‘ Gründen wider. Siehe Parfit, D. (2011) On What Matters, Vol. 1. Oxford University Press, p. 50. ↩︎

  30. Zur weiteren Verteidigung dieser Ansicht siehe Chappell, R.Y. Consequentialism: Core and Expansion, demnächst in D. Copp, C. Rosati und T. Rulli (Hrsg.) The Oxford Handbook of Normative Ethics↩︎